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Das Haus der Welt Das Haus der Welt Beliebt

Predigt I
"I have a dream, that one day this nation will rise up and live out the true meaning of its creed: We hold this truths to be self-evident that all men a created  equal."
Ich habe einen Traum, dass eines Tages diese Nation sich erheben wird und der wahren Bedeutung ihres Credos gemäß leben wird: »Wir halten diese Wahrheit für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich erschaffen sind.«
Ich habe einen Traum! Diese vier Worte haben Geschichte gemacht. Bis heute verbinden wir sie mit Dr. Martin Luther King. Am Jahrestag des Marsches auf Washington, vor 14 Tagen, standen die Bilder wieder vor Augen, von einem der Höhepunkte im Wirken des Bürgerrechtlers. Mit dieser erfolgreichen Großdemonstration war er aber nicht am Ziel.
Leidenschaftlich setzte er sich für eine friedliche und gerechte Welt ein, für eine neue Gesellschaft der Liebe und der Gerechtigkeit. Er prägte dafür das starke Bild vom Haus der Welt. In seinem Buch: “Wohin führt unser Weg? Chaos oder Gemeinschaft?” beschreibt er es so:
Das ist das große neue Problem der Menschheit. Wir haben ein großes Haus geerbt, ein großes “Haus der Welt”, in dem wir zusammen leben müssen - Schwarze und Weiße, Morgenländer und Abendländer, Juden und Nichtjuden, Katholiken und Protestanten, Moslems und Hindus - eine Familie, die in Ideen, Kultur und Interessen zu Unrecht getrennt ist, die, weil wir niemals wieder getrennt leben können, irgendwie lernen muss, in Frieden miteinander auszukommen.
Damit geht Martin Luther Kings Blick weit über die Rassismusproblematik hinaus: Denn es braucht für jeden eine faire Chance zum Leben. King bringt es einmal so auf den Punkt:
„Wir haben als Land ein Problem, wenn Menschen arm sind, egal welcher Hautfarbe“.  
King ist nicht blind oder naiv: Er sieht klar, dass dieses “Haus der Welt” bedroht ist. Und er ruft auf:
„Überwindet die Schranken von Rasse, Klasse, Nation und Religion, und nehmt die Vision einer Welt als ein Haus an. Rottet zu Hause und auf der ganzen Welt das dreifache Übel von Rassismus, Armut und Militarismus aus; und weist den exzessiven Materialismus in seine Schranken, und geht über von einer materiell orientierten, zu einer menschenorientierten Gesellschaft; leistet Widerstand gegenüber sozialer Ungerechtigkeit, und löst Konflikte im Geist der Liebe, die sich in der Philosophie und den Methoden der Gewaltlosigkeit ausdrückt."
Nach King haben wir als die gleich geschaffenen Menschen also die Wahl: Wählen wir das Chaos, die Gewalt oder die Gemeinschaft?
Mit dem Bild vom Haus der Welt greift Martin Luther King auf, was am Anfang der Welt steht. Gott schuf alle Menschen zu seinem Ebenbild. Jeder Mensch hat die gleiche Würde. Jeder gehört zur Familie Mensch. Ob Hindu, Moslem, Christ, Jude, Buddhist, Agnostiker oder Atheist.
Christen sind davon überzeugt: Jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes. Damit will ich niemanden vereinnahmen. Ich achte den Glauben und die Grundüberzeugung des anderen. Ich kann aber nicht anders, als in jedem einen geliebten Menschen Gottes zu sehen. Gott hat uns seine Welt geschenkt als unser gemeinsames zu Hause. Mit guten Startbedingungen. Ein Kinderlied beschreibt es in anschaulichen Bildern. "Du hast uns deine Welt geschenkt, den Himmel, die Erde, die Sonne, die Sterne, die Vögel, die Fische, die Menschen, das Leben."
Gott erschuf keine Völker. Gott schuf Menschen. So war Pastor Martin Luther King davon überzeugt, dass alle Bewohner der Erde Nachbarn sind. Und dass wir voneinander abhängig sind. Dass wir weltweit miteinander verstrickt sind. In dem, was wir einander nehmen. Und in dem, was wir einander geben können.
Mit dem Bild vom Haus der Welt greift er auch auf, was am Anfang der christlichen Gemeinden steht. "Seid nicht auf euren eigenen Vorteil aus, sondern auf den der anderen - und zwar jeder und jede von euch!"  Ein Grundsatz, den der Apostel Paulus einmal für das Gemeindeleben formuliert hat.
Ich frage mich: Wie viele könnten diesen Grundsatz der ersten christlichen Gemeinden unterschreiben? In den letzten Wochen wurden wir ja immer wieder nach unserer Einwilligung gefragt, ob beim Frisör oder beim Hausarzt. Die neue Datenschutzordnung war in Kraft getreten. Wir sollten mit unser Unterschrift unser Einverständnis geben.
Liebe Gemeinde hier in der Kirche und am Radio, würden Sie genauso unterschreiben, was der Apostel Paulus als Grundsatz für das Zusammenleben der christlichen Gemeinde formuliert hat? Die umfassende Solidarität mit der Gemeinde Gottes, mit der Familie Mensch?
"Seid nicht auf euren eigenen Vorteil aus, sondern auf den der anderen - und zwar jeder und jede von euch!" - Am Anfang steht nicht die Solidarität mit der eigenen Familie, mit dem eigenen Volk. In der Bibel steht die Solidarität mit der Familie Mensch am Anfang.
Weil jeder Mensch Ebenbild Gottes ist. Weil wir die Aufgabe, die Erde zu bebauen und zu bewahren, nur gemeinsam schaffen können. Weil wir voneinander abhängig und aufeinander angewiesen sind.
Martin Luther King verdeutlicht das an einem Beispiel.
"Wenn wir morgens aufstehen, gehen wir in das Badezimmer und nehmen einen Schwamm, der uns von einem Bewohner der pazifischen Inseln gegeben wurde. Wir nehmen die Seife, die von einem Europäer für uns gemacht wurde. Dann trinken wir den Kaffee, der uns von einem Südamerikaner, oder den Tee, der uns von einem Chinesen, oder den Kakao, der uns von einem Westafrikaner gegeben wurde. Ehe wir zur Arbeit gehen, sind wir schon mehr als der halben Welt verpflichtet."
Das ist mehr als eine Morgenidylle. Es fordert uns zu einer neuen Haltung heraus, zu einer neuen seelischen Einstellung.
"Das große Haus, in dem wir leben, verlangt, dass wir diese weltweite Nachbarschaft in eine weltweite Bruderschaft verwandeln. Gemeinsam müssen wir lernen, als Brüder zu leben, oder wir werden gemeinsam gezwungen sein, als Toren zu sterben."
Das große Haus, in dem wir leben, erfordert ein Umdenken, eine neue Ethik. Ein neues aufeinander Zugehen. In der Überzeugung, dass wir einander brauchen als Brüder und Schwestern.
Was bedeutet das für uns in Hamm?
Zu Beginn eines jeden Jahres findet in Hamm das interreligiöse Friedensgebet statt. Die verschiedenen Religionsgemeinschaften vor Ort beten miteinander um den Frieden Gottes.
In diesem Jahr hatten wir das Thema „Haus der Welt“ gewählt. Es war beeindruckend, als die Vertreter der unterschiedlichen Religionen die Vision Martin Luther Kings vom Haus der Welt vorlasen. Das große Haus, in dem wir leben, verlangt, dass wir die weltweite Nachbarschaft in eine weltweite Geschwisterschaft verwandeln.
Als Höhepunkt trugen die Vertreter der unterschiedlichen Religionen ein geschreinertes Haus der Welt in den Altarraum, eine offene Holzkonstruktion. Alle, die teilnahmen, erhielten einen hölzernen Baustein. Auf den schrieben sie, was für sie das Haus der Welt wohnlich macht. Alle Steine wurden in die Holzkonstruktion eingefügt, so dass zum Schluss für alle sichtbar das Haus der Welt mit Beiträgen unterschiedlicher Religionen entstand.
Ein Symbol des friedlichen Miteinanders.

Predigt II
Schon Martin Luther King sah, dass das Haus der Welt bedroht ist. Die erste Bedrohung von der King spricht ist Rassismus. Er sagt dazu:
Ich weigere mich, die Ansicht anzuerkennen, dass die Menschheit auf tragische Weise mit der sternlosen Mitternacht des Rassismus und Krieges verstrickt ist. Ich werde nicht ablassen daran zu glauben, dass der helle Tagesanbruch des Friedens und der Brüderlichkeit Wirklichkeit werden kann.
Immer wieder denkt Martin Luther King über das Haus der Welt nach. Was es schützt und wohnlich macht. Und auch darüber, was es gefährdet. Dabei kommt er regelmäßig auf Geschichten aus der Bibel zu sprechen. Eine davon ist sogar sprichwörtlich geworden. Jesus hat sie erzählt. Sie handelt von einem Überfall auf der Straße von Jerusalem nach Jericho. Der Held dieser Geschichte ist bis heute bekannt. Zwar kennt niemand seinen Namen. Und doch ist er vielen vertraut. Als Barmherziger Samariter fand er seinen Weg in Redewendungen. Wurde zum Namensgeber von Hilfsorganisationen. Wir kennen ihn und seine Geschichte und haben sie vorhin zum Beginn des Gottesdienstes schon einmal gehört.
Ein Mann kam mit einer Frage zu Jesus: Wer ist mein Mitmensch? Natürlich war ihm klar, wer seine Mitmenschen sind. Seine Frau, seine Kinder und Verwandten, seine Freunde.
Ihn interessierte mehr die unausgesprochene Frage: Wer ist nicht mein Mitmensch? Für wen bin ich nicht mehr verantwortlich? Wo bin ich aus dem Schneider?
Ihm erzählt Jesus diese Beispielgeschichte. Und lässt sie in einer unbewohnten und bedrohlichen Gegend spielen. In einsamen Gegenden erleben wir Begegnungen mit anderen bewusster und intensiver. Etwa wenn uns jemand in einer Bahnunterführung entgegenkommt.
In der Beispielgeschichte ist es die Straße von Jerusalem nach Jericho. Sie galt als gefährlich. Viele Kurven und Serpentinen machten es leicht, einen Hinterhalt zu errichten. Nicht ohne  Grund galt die Straße als "Blutpass". Auf dieser Straße wird ein Mensch Opfer eines verbrecherischen Überfalls. Die Räuber schlagen ihn zusammen, plündern ihn aus und lassen ihn halbtot liegen.
Schutzlos ist der Schwerverwundete der glühenden Sonne ausgeliefert. Ohne Hilfe scheint sein Tod beschlossen. Die Frage ist nur, ob er einem Hitzeschlag erliegt, verdurstet oder verblutet.
Jesus erzählt die Geschichte aus der Sicht des Überfallenen. Und macht damit deutlich: Es kommt alles darauf an, vom anderen her zu denken. Nicht wie wir den anderen sehen ist wichtig. Wichtig ist, wie er uns erlebt.
Zwei Männer kommen vorbei. Beide überlegen sich: Was passiert, wenn ich stehen bleibe und helfe? Die Wegelagerer könnten noch in der Nähe sein. Sie könnten mich angreifen, während ich mich um den Verletzen kümmere. Beide Männer gehen vorbei. Möglicherweise aus Angst.
Nun betritt überraschend der Typ des Antihelden die Bühne. Er dreht für sich die Frage um: "Wenn ich nicht anhalte, um diesem Mann zu helfen, was wird ihm dann passieren?"  Und er tut das Richtige zur rechten Zeit.
Für den Gesprächspartner Jesu besonders pikant: Jesus lässt  die Hilfe "aus der falschen Ecke" kommen. Beide Männer, die einen großen Bogen um den Verwundeten machten, waren Juden. Der Mann, der stehen blieb und half, kam aus Samarien.
Samaritaner hatten zur Zeit Jesu ein eigenes Heiligtum für Gott und gingen nicht zum Tempel nach Jerusalem. Oft gab es auch politische Streitigkeiten. Die Samaritaner galten als Fremde und wurden von frommen Juden verachtet und gemieden. Juden und Samaritaner pflegten ein gespanntes Verhältnis zueinander.
Und ausgerechnet ein Samaritaner wird in der Beispielgeschichte von tiefem Mitgefühl erfasst. Der Anblick des Überfallenen reißt ihm das Herz auf. Er ist so von der Not des Unbekannten betroffen, dass er alle abwägende Vorsicht vergisst.
Der Samariter opfert seinen eigenen Vorrat. Er nimmt Öl und Wein. Beides gehörte im Orient unbedingt zum Reiseproviant und eignete sich auch gut als Reiseapotheke. Wein desinfiziert. Öl lindert und macht Gewebe geschmeidig. So wurden damals Wunden behandelt.
Der Samariter verbindet die Wunden des Mannes. Vielleicht hat er dafür ein Stück seines Kopftuches oder seiner Untergewänder zerrissen. Dann hebt er ihn auf sein Reittier, bringt den Schwerverletzten zum nächsten Gasthaus und versorgt ihn mit allem Nötigen.
In solche Situationen kann jede und jeder kommen. Situationen, in denen wir Hilfe brauchen. Und Situationen, in denen wir helfen können. Mitfühlen. Die Perspektive des anderen einnehmen. Im großen Welthaus sind wir aufeinander angewiesen. Das Zusammenleben darin ist nicht konfliktfrei. War es damals nicht zwischen Juden und Samaritanern und ist es heute nicht in der Familie Mensch. Doch Jesus betont in dieser Beispielgeschichte: Jeder Mensch hat die gleiche Würde. Alltagsrassismus hat im Haus der Welt keinen Platz.

Was bedeutet das für uns in Hamm?
Jedes Jahr im September findet im Innenhof unserer Kirchengemeinde das Sommerfest von Geflüchteten statt, treffend „Refubeats“ genannt. Es wird organisiert vom Verein der Flüchtlingshilfe in Hamm. Refubeats ist ein beeindruckendes Fest, zu dem jährlich ca. 400 Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur kommen. Auf einer großen Bühne treten Musiker verschiedener Sprachen und Musikstile auf. Die Musiker und die Moderatoren achten darauf, dass Menschen möglichst aller Herkunftsnationen durch sie vertreten sind. So bunt wie die Sprachen und Musikstile ist auch das Essen. Ich liebe es, von afrikanischen, orientalischen und asiatischen Speisen zu kosten. Jeder dieser Menschen bringt ein Stück Heimat mit. Auch wir als Gastgeber beteiligen uns, indem wir in der Küche helfen oder ein Teil des Kinderprogramms organisieren.
Für mich beeindruckend ist immer wieder das lockere Miteinander von Gruppen, die in ihren Herkunftsländern nicht immer friedlich zusammen leben. Auf dem Sommerfest feiern Kurden und Türken, Syrer und Iraker mit Arabern und Afrikanern, Christen mit Muslimen unterschiedlicher Prägung. Und immer wieder wünsche ich mir, dass so wie das Sommerfest in Hamm auch die Welt im Großen eine große gemeinsame Feier ist, die das Leben und das Lachen über die Unterschiede der Menschen stellt.

Predigt III
Eine weitere Bedrohung für das Haus der Welt sah Martin Luther King in der Armut. Und setzt dagegen:
Ich besitze die Kühnheit, daran zu glauben, dass alle Menschen drei Mahlzeiten täglich für ihren Körper haben können. Und Bildung und Kultur für ihren Geist. Und Würde, Gleichheit und Freiheit für ihre Seele.
Von Fürsorge, Würde und Gleichheit handelt auch die Beispielgeschichte vom Barmherzigen Samariter. Obwohl die Situation gefährlich ist, versetzt er sich in die Lage des Überfallenen und kümmert sich um ihn.
In dieser Geschichte, die Jesus erzählt, gibt es noch eine Person, die wir zum Vorbild nehmen könnten. Sie steht weniger im Vordergrund. Es ist der Wirt im Gasthaus. Als der Reisende aus Samarien am nächsten Tag weiter muss, holt er zwei Silberstücke hervor, gibt sie dem Wirt und sagt: "Pflege den Verwundeten! Wenn es mehr kostet, werde ich es dir geben, wenn ich wiederkomme."
Der Betrag reichte zwei bis drei Wochen für die Grundversorgung. Aber man weiß doch, was ein Verwundeter an Pflege braucht. Es kann Komplikationen geben, und der Wirt hat ihn dann am Hals. Und wer ist der Unbekannte überhaupt? Wie kommt der Wirt dazu, Krankenpfleger für einen Fremden zu spielen? Schließlich ist ein Gasthaus kein Krankenhaus!
Doch der Wirt lässt sich auf die Sache ein! Selbst wenn der Reisende aus Samarien schon öfter bei ihm übernachtet haben sollte: dass er tatsächlich wiederkommt und die Mehrkosten bezahlt, dafür hat der Wirt keine Gewähr. Das Risiko bleibt. Und der Wirt geht es ein.
Es gibt in dieser Geschichte also nicht nur den barmherzigen Samariter, sondern auch den barmherzigen Wirt.  Er handelt nicht unter Lebensgefahr, nicht einmal umsonst. Vielleicht will er einfach den Samariter nicht enttäuschen, den er womöglich kennt und der versprochen hat wiederzukommen.
Das hat Christus auch uns versprochen. Und hat uns aufgetragen, mit unseren Fähigkeiten und nach unseren Möglichkeiten zu handeln, bis er wiederkommt.
Wir sind aufgerufen, hinzusehen, stehen zu bleiben, Menschen am Straßenrand des Lebens zu helfen. Über den Augenblick hinaus. Auch wenn die Scheinwerfer der öffentlichen Aufmerksamkeit längst weiter gewandert sind.
Martin Luther King betont noch einen anderen Aspekt. So wichtig es ist, spontan und nachhaltig zu helfen, kann das nur das Vorspiel sein, meinte King.
"Eines Tages muss die ganze Straße von Jericho so umgewandelt werden, dass die Menschen auf ihrer Lebensreise nicht mehr geschlagen und beraubt werden."  
Echtes Mitleiden bedeutete für King: Zu begreifen, "dass ein Haus, das Menschen zu Bettlern macht, umgebaut werden muss."  
Echtes Mitleiden sieht und lindert nicht nur die konkrete Not, sondern fragt auch nach ihren Ursachen. Versucht das Übel bei der Wurzel zu packen. Echtes Mitleiden bedeutet für uns heute: Helfen. Mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Wahrnehmen, dass es uns langfristig nur gut geht, wenn es den anderen auch gut geht.
Gerd Müller als Minister für Entwicklungshilfe verdeutlicht das am Beispiel der Menschen, die aus Afrika nach Europa fliehen: "Wir können nicht sagen, das da in Afrika geht uns nichts an. Dann machen sich nämlich noch mehr Menschen auf den Weg zu uns und holen sich, was ihnen zusteht."  
Afrika ist der rohstoffreichste Kontinent der Welt. "Die Bodenschätze gehören eigentlich den Leuten, die dort wohnen, aber sie werden ausgebeutet von zehn internationalen Konzernen... Wir regen uns darüber auf, dass die Leute zu uns kommen wollen, nachdem wir selber die Existenzgrundlage der Menschen zerstört haben," betonte der verstorbene Politiker Heiner Geißler einmal.
Soll unsere Welt überleben, bedeutet echtes Mitleiden für uns heute:
Die gesamte Gesellschaft neu zu strukturieren. Kostspieligen Luxus aufzugeben und freiwillig unsere Wirtschaft und unseren Lebensstil zurückzuschrauben.
In diesem Sinn forderte bereits Martin Luther King eine bessere Verteilung des Reichtums in den USA für alle Gotteskinder.  
Eine Forderung, die 50 Jahre danach leider nicht an Aktualität verloren hat. Heute arbeiten immer mehr Menschen fast rund um die Uhr und leben dennoch in Armut. Kinder sind immer öfter von Armut betroffen, und Familien reicht ein Gehalt häufig nicht mehr für ein gutes Leben.  
Für Martin Luther King gehört beides zusammen. Menschen zu helfen, die von Armut betroffen sind. Und das Haus, das Menschen zu Bettlern macht, umzubauen.

Was bedeutet das für uns in Hamm?             
Zu unserer Freikirche gehört ein offenes Café. Es liegt in der Innenstadt von Hamm, nahe am Bahnhof, in einem sogenannten Brennpunkt. Jeden Samstag öffnet es die Türen für Kinder aus der Nachbarschaft. Dann wird zusammen gespielt. Es gibt kreative Angebote oder auch gemeinsame Ausflüge.
Und jeden Samstag kochen wir zusammen. Gemeinsam eine Mahlzeit zuzubereiten – das kennen viele Kinder von zu Hause nicht mehr. Umso mehr Spaß macht ihnen das gemeinsame Kochen und Backen in der Gruppe. Und natürlich auch das gemeinsame Essen. Samstag-Mittag eine selbst gekochte, warme Mahlzeit, das ist für viele Kinder etwas Besonderes.
Dieses Angebot für Kinder feierte in diesem Jahr sein 10-jähriges Jubiläum. Einige Kinder sind bereits viele Jahre dabei, manche arbeiten hier mittlerweile mit. Das ist wunderbar, wenn wir erleben: Die Kinder und Jugendlichen geben das, was sie erhalten haben, weiter.


Predigt IV
Nicht zuletzt sah Friedensnobelpreisträger und Baptistenpastor Martin Luther King das Haus der Welt von Krieg bedroht. Bestimmt formuliert er:
Ich weigere mich, die zynische Bemerkung anzuerkennen, dass Nation für Nation eine militaristische Treppe hinabsteigen muss bis zur Hölle der nuklearen Auslöschung.
Ich glaube daran, dass in Wirklichkeit unbewaffnete Wahrheit und bedingungslose Liebe das letzte Wort haben werden. Das ist der Grund, warum Recht - auch wenn es vorläufig besiegt wurde - stärker ist als das triumphierende Böse.
Diese Grundhaltung hatte Martin Luther King bei Jesus gelernt. Kein anderer hat bedingungslose Liebe so sehr gelebt wie Jesus. Auch in der Begegnung, in der er die Beispielgeschichte mit dem Reisenden aus Samarien erzählte. Ob sein Gesprächspartner merkte, dass Jesus in diesem Gespräch ihm selbst zum Samariter geworden ist? Ihn mit Mitgefühl ansah, obwohl er eigentlich versucht hatte, Jesus aufs Glatteis zu führen?
Ob er erkannte, dass Jesus sich ihm zugewandt hat? Sich niedergebeugt hatte in den Straßengraben, in dem er lag? Gefangen in seinem Alltagsrassismus. Mehr auf seinen eigenen Vorteil aus, als auf den der anderen. Weit entfernt von ungeteilter Aufmerksamkeit für andere, von Solidarität mit anderen.
Nicht nur diesem Gesprächspartner, uns allen ist Jesus der Nächste geworden. Wurde für uns Mensch. Wurde für uns zum barmherzigen Samariter. Schlug sich trotz allem auf unsere Seite. Investierte alles, riskierte sein Leben, damit wir bei Gott zu Hause sind. Aufgehoben sind im Haus der Welt.
Wer hätte das erwarten können? Doch der Samariter Jesus schenkt großzügig und sein Mitgefühl ist grenzenlos.
Martin Luther King war diese Beispielgeschichte besonders wichtig. Er hat sich immer wieder auf sie bezogen. Auch in seiner letzten Predigt. Am Abend vor seiner Ermordung sprach er vor streikenden Müllarbeitern:
"Wenn ich nicht anhalte, um den Müllarbeitern zu helfen, was wird ihnen passieren?"
"Das ist die Frage! Lasst uns heute Abend aufstehen mit einer größeren Bereitschaft."
Mit der Bereitschaft, als Bruder oder Schwester neben den Streikenden zu stehen. Zu helfen, das Haus der Welt gerechter zu machen.
Weil Rassismus, Armut und Krieg unsere Welt ins Wanken bringen, müssen wir aufstehen. Um in dem Welthaus, das wir geerbt haben, zu überleben, müssen wir eine Alternative zu Krieg und Menschenvernichtung finden. John F. Kennedy hat einmal gesagt: "Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende machen, oder der Krieg wird der Menschheit ein Ende machen."
Davon war auch King überzeugt. Er sah, dass viele Frieden wollen, sich aber nicht dafür engagieren, was Frieden bringt. King hielt es für die entscheidende Frage, ob wir die ethische Überzeugung und den Mut haben, als Brüder und Schwestern miteinander zu leben.
Er wollte das Rüstungs-Wettrennen zu einem "Friedens-Wettrennen" machen. King war einer der ersten Prominenten in den USA, der gegen den unmenschlichen Vietnamkrieg protestierte, der unzähligen Vietnamesen und amerikanischen Soldaten das Leben kostete. Und in den USA die Gelder für Förderprogramme für Arme verschlang.
Heute stehen wir vor anderen Herausforderungen. In den Mitgliedstaaten der NATO sollen die Militärausgaben steigen. Zu den weltweiten Kriegen kommt die weltweltweite Zerstörung unserer Umwelt. Ende 2017 waren fast 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Krieg und Armut.
Um in dem Welthaus, das wir geerbt haben zu überleben, müssen wir von dem Samariter Jesus lernen, der lehrte: Böses mit Gutem zu überwinden. Man kann gute Zwecke nicht durch böse Mittel erreichen. Darum müssen wir uns für zivile Konfliktlösungen einsetzen und die Fluchtursachen erkennen und beseitigen, statt die Spirale der Gewalt weiter zu beschleunigen.
"I have a dream that enough is enough. And that this should be a gun-free world, period."  So die neunjährige Yolanda Renee Anfang des Jahres bei einer Kundgebung in Washington. In Anlehnung an das wohl berühmteste Zitat ihres Großvaters sagte die Enkelin von Martin Luther King, auch sie habe einen Traum: "Genug ist genug. Dies sollte eine Welt ohne Waffen sein. Punkt."
Und dies sollte eine Welt ohne trennende Mauern sein, die immer wieder aus Steinen der Angst errichtet werden. Denn auf beiden Seiten der Mauer leben Gottes Kinder, und keine durch Menschenhand gemachte Grenze kann diese Tatsache auslöschen. Was Martin Luther King 1964 im geteilten Berlin sagte,  gilt heute genauso für die Europäische Außengrenze, wie für die Grenze zwischen USA und Mexiko oder die Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen. Auf beiden Seiten der Mauer leben Gottes Kinder.
Im gleichen Jahr 1964 wurde Martin Luther King der Friedens-Nobelpreis verliehen. Für ihn bedeutete das, mehr als je zuvor für die Geschwisterlichkeit unter den Menschen zu arbeiten.

Was bedeutet das für uns in Hamm?
Im Rahmen eines Nachbarschafts-Festes haben wir als Gemeinde im letzten Jahr eine bronzene Bodenplatte vor dem Gemeindehaus zum Gedenken an Martin Luther King eingeweiht. Der Entwurf stammt von einem Künstler aus Hamm. Die eine Hälfte zeigt die Person Kings, die andere Hälfte ein Zitat aus der Friedens-Nobelpreis-Rede:
"Ich glaube daran, dass unbewaffnete Wahrheit und bedingungslose Liebe das letzte Wort haben werden."
Ein starkes Wort, das an Aktualität nicht verloren hat.
Ein Passant sagte: "Einen Brückenbauer und Versöhner wie King könnte Amerika auch heute gebrauchen." Und wir wohl auch.
Mit der Bodenplatte wollen wir in der Innenstadt Impulse geben für ein friedliches und achtungsvolles Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen.

Wenn wir Frieden auf der Erde haben wollen, müssen wir eine Weltperspektive entwickeln, war Martin Luther King überzeugt. Unser Zusammengehörigkeitsgefühl darf sich nicht auf ein Land, ein Volk oder eine Volksgruppe begrenzen.
Wenn wir Frieden auf der Erde haben wollen, müssen wir begreifen: Kein einzelner kann allein leben und auch kein Land kann allein leben. Was immer einen direkt betrifft, betrifft indirekt alle im Haus der Welt. Ungerechtigkeit an einem Ort ist eine Gefahr für die Gerechtigkeit an allen Orten.
Wenn wir Frieden auf der Erde haben wollen, müssen wir die Würde jedes Menschen achten. Denn: Gott hat alle Menschen nach seinem Bild geschaffen.
Dieser Traum bleibt. Er klingt auch in einem Lied von Hannes Wader an.
"Wohl jeder träumt den Traum vom Frieden
Und es kommt die Zeit
Dann wird wie jeder Menschheitstraum
Der Frieden Wirklichkeit!"

Amen

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