Die Geldbörse bekehrt sich zuletzt

Es ist ein normaler Sonntagmorgen. Im Gottesdienst steht die Kollekte auf dem Programm. Der Moderator stockt einen Moment. "Wir wollen jetzt in diesem Gottesdienst, ahm, ja, wie nennen wir diesen Part? Früher sagte man ,Opfer. Aber dies scheint mir für das, was wir hier tun, nicht wirklich passend zu sein. Man könnte sagen: Wir wollen die Kollekte zusammenlegen, aber dies wäre doppelt gemoppelt, denn das Wort, Kollekte bedeutet ja nichts anderes als‚ Zusammenlegung." Der Moderator wirkt etwas ratlos, hat aber dann eine Idee: "Veranstalten wir doch heute morgen einmal ein kommunistisches Happening: Wir trennen uns von unserem Kapital!"
Diese kleine Episode ist wirklich so passiert. Sie spiegelt etwas von dem Unbehagen wider, das wir mit der Kollekte am Sonntagmorgen verbinden. Was geschieht da eigentlich in unserem Gottesdienst? Sonntag für Sonntag geben wir kleine Körbchen durch die Reihen und legen einige Münzen oder auch (seltener) Scheine hinein! Das Ergebnis wird dann nach dem Gottesdienst von verantwortlichen Mitarbeitern gezählt und zur Bank gebracht.
Früher bestritt die Gemeinde so ihren Haushalt. Der Gottesdienst war die zentrale Stelle, an der die Gemeindemitglieder Gott ihr Opfer brachten. Oft war das im wahrsten Sinne des Wortes ein Opfer! Denn die Gemeindemitglieder gaben nicht einfach aus ihrem Überfluss, sondern von dem ab, was sie selbst dringend brauchten. Heute hat sich vieles geändert. Der "Gemeindebeitrag" - ein Wort aus dem Vereinsrecht -, wird von einem Teil der Gemeinde monatlich überwiesen. Dabei beteiligen sich längst nicht alle am Gemeindehaushalt. Mit der Sammlung am Sonntagmorgen können sich alle dann noch mal anonym finanziell beteiligen. Aber "Opfer" möchte man das eigentlich nicht mehr nennen. Denn oftmals geben wir aus unserem Überfluss. Gott bekommt, was wir übrig haben, was uns nicht weh tut. Dabei geht es inhaltlich ja eigentlich gar nicht zentral um die Umlage der Gemeindekosten. Das Wort Gemeindebeitrag führt uns hier leider auf eine falsche Fährte.
Wenn Jesus mein Herr ist, dann ist er auch Herr über meine Finanzen! Wir machen das deutlich, indem wir regelmäßig einen Teil von dem, was er uns anvertraut hat, wieder abgeben. Wir tun dies in der Haltung der Dankbarkeit für das Anvertraute und im Vertrauen darauf, dass er auch weiterhin gut für uns sorgen wird. Im Opfer wird Vertrauen, wird Loslassen geübt. Diese Übung ist immens wichtig, um unser Leben freizusetzen von der Macht und Verlockung des Geldes. Nur wenn ich regelmäßig das "Loslassen" übe, gewinne ich die Kraft, frei und unabhängig vom Geld zu sein. Im Loslassen, im Opfer richte ich meine Haltung auf Gott aus, der mir alles gibt, was ich zum Leben brauche. Ich erlebe die Abhängigkeit von ihm als die wahre, ultimative Freiheit.
Das Opfer ist also ein zutiefst geistliches Geschehen. Sehen wir dagegen das an, was sonntagmorgens im Verlauf des Gottesdienstes stattfindet, dann ist häufig von dieser Dimension nicht viel übrig geblieben. Schnell ein Geldstück in das Körbchen werfen, oft gerade mal so viel, dass es nicht mal für die Parkuhr draußen gereicht hätte. Hingeworfen, wie man einem Bettler eine Münze hinwirft.
Gott aber legt keinen Wert auf das, was wir gerade so erübrigen können. In Mal 1,6-14 wird Israel scharf kritisiert, als es Gott Tiere zum Opfer brachte, für die sonst keine Verwendung da war. Gott sagte damals: Es wäre mir lieber, mein Tempel wäre verschlossen, unerreichbar für euch, anstatt, dass ihr mir solches Opfer bringt. Gott gab sein Bestes für uns. Er gab seinen Sohn, er gab sich selbst. Er gab uns das Beste - können wir nun nicht auch unser Bestes zurückgeben? Dies gilt für die Zeit, mit der ich mich auf ihn ausrichte, wenn ich bete. Es gilt für meine Energie, wenn ich in der Gemeinde mitwirke. Gott verdient das Beste, was wir einzubringen haben. Meine beste Vorbereitung, meine besten Ideen, meine beste Aufmerksamkeit. Und es gilt auch für meine Finanzen. Weil Gott mich wunderbar versorgt, will ich ihm das Beste zurückgeben, das ich kann.
Dabei spielt es keine Rolle, ob ich mein Opfer per Dauerauftrag oder per Körbchen abgebe. Die Haltung dahinter ist entscheidend. Aber um diese Haltung zurückzugewinnen, müssen unsere Gottesdienste Hilfestellung leisten. Es ist nicht getan mit der schlichten Ansage: Wir sammeln jetzt unsere Kollekte ein. Es bedarf heute mehr denn je einer Einführung. Fragen wie: Warum tun wir das? Was drücken wir damit aus? Mit welcher Haltung kommen wir vor Gott? Wofür sind wir dankbar? Was erhoffen wir, dass Gott mit unserem Geld tun soll? Wie gelingt es uns, Gott durch den Umgang mit unserem Geld zu ehren? Wie kann man Menschen, die ihr Opfer per Dauerauftrag überwiesen haben, in dieses Geschehen sinnvoll miteinbeziehen? Damit das, was wir "Kollekte", "Dankopfer" oder im Spaß auch mal "kommunistisches Happening" nennen, zu einem Teil des Gottesdienstes wird, der zur Ehre Gottes geschieht.

Jörg Ahlbrecht

Die Gemeinde 5/2006

BUCHTIPP
Hein/Rubow/Ahlbrecht, Mit Gott rechnen - vom biblischen Umgang mit Finanzen, Gerth Medien, Aßlar, 2005, 122 Seiten, ISBN 3-89437-075-0 5,95 Euro

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